Befragung eines Kriegsdienstverweigerers lyrics
Befragung eines Kriegsdienstverweigerers lyrics
Dies ist die Befragung eines Kriegsdienstverweigerers durch den liberalen und zuvorkommenden Kammervorsitzenden
Also, sie berufen sich hier pausenlos aufs Grundgesetz
Sagen sie mal,
sind sie eigentlich Kommunist?
Ja, sie dürfen sitzen bleiben.
Überhaupt, wir sind hier ziemlich liberal,
lange Haare, Bärte, Ketten, Ringe,
ham wir alles schon gehabt,
aber in die Akten scheißen mögen wir hier nicht.
Marx und Engels haben sie gelesen, sagen sie uns.
Sagen sie, verstehen sie das denn?
Sie ham doch bloß die Volksschule besucht?
Na, nun regen sie sich nicht gleich auf,
dafür können sie ja nichts.
Lesen dürfen sie ja was sie wollen — überhaupt
hier darf jeder machen was er will,
im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, versteht sich.
Ja, Soldat sein, das will heute keiner mehr.
Kann ich auch verstehen
und ich selber hätte keine Lust aber
Gründe haben müssen wir dafür.
Na, nun fangen sie nicht wieder an
mit Imperialismus, den zwei Kriegen
und die alte Klasse ist noch immer an der Macht
und sie wollen nicht für die
Kastanien aus dem Feuer holen.
Das verstehn wir ja.
Mag auch alles richtig sein,
interessiert uns aber nicht.
Das ist nämlich Politik.
Hier interessieren nur Gewissensgründe.
Was das ist?
Hört sich zwar sehr grausam an,
trifft den Nagel aber auf den Kopf, nämlich
ob sie töten können oder nicht.
Ja, hier darf jeder machen was er will
im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, versteht sich.
Also, fangen wir mal an.
In ‘ner Kirche sind sie nicht,
auch nicht in ‘ner anerkannten Sekte,
sehen sie, da wird's schon schwierig mit Gewissensgründen.
Einen haben wir mal hier gehabt,
und der machte auf Buddhist,
war so'n Typ mit Glatze aber
durchgekommen ist er, schlaues Kerlchen.
Also, passen sie mal auf,
ich werd jetzt ihr Gewissen prüfen.
Nehmen wir mal an, sie geh'n spazieren,
mit ihrer Freundin, nachts im Park.
Plötzlich
kommt ‘ne Horde Russen,
stockbesoffen und bewaffnet, Halt,
sagen wir ‘n Trupp Amerikaner,
schwer betrunken und bewaffnet nachts im Park
machen sich an ihre Freundin ran.
Sie haben ‘ne MP dabei.
Na, was machen sie?
Was sagen sie uns da?
Sie verbitten sich dies Beispiel?
Meinetwegen, bitte schön,
hier darf jeder machen was er will
im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, versteht sich.
Schön, die Russen und Amerikaner fallen also weg,
die Chinesen sicher auch
und mit Negern brauch ich gar nicht erst zu kommen,
lassen wir das eben.
Nehm‘ wir einfach ein paar ganz normale Kriminelle,
schwer betrunken und bewaffnet
nachts im Park,
machen sich an ihre Freundin ran.
Sie haben wieder die MP dabei.
Na, was machen sie?
Sagen sie uns bloß jetzt nicht,
sie fallen auf die Knie und beten,
denn mit so was kommt hier keiner durch,
der Marx und Engels liest.
Was sagen sie uns da?
Ich red die ganze Zeit von Politik?
Das ist aber wirklich komisch.
Bilde einen Fall,
so richtig auf sie zugeschnitten,
baue ihnen auch noch goldene Brücken,
aber sie, aber
hier darf jeder machen was er will,
im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, versteht sich.
So, nun woll'n wir aber wirklich wissen, was sie tun.
Also noch mal,
ein paar schwere Jungs,
schwer bewaffnet und betrunken, nachts im Park,
machen sich an ihre Freundin ran.
Sie haben wieder die MP dabei.
Na, was machen sie?
Was sagen sie uns da?
Sie wehren sich,
weil sie ja in Notwehr sind?
Ätsch,
das ist aber falsch.
Durften sie nicht sagen.
Richtig ist die Antwort nämlich die:
ich werfe meine Waffe fort
und dann bitte ich die Herrn,
mit der Vergewaltigung doch bitte aufzuhör'n.
Was sagen sie uns da,
sie kämen als Soldat doch nie in eine solche Situation?
Fangen sie schon wieder an?
Ist doch politik,
hat doch mit Gewissen nichts zu tun.
Ja, Grundgesetz, ja, Grundgesetz, ja, Grundgesetz...
Sie berufen sich hier pausenlos auf's Grundgesetz.
Sagen sie mal,
sind sie eigentlich kommunist?
Na ja, hier darf jeder machen was er will,
im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, versteht sich.
- Artist:Franz Josef Degenhardt
- Album:Mutter Mathilde (1972)