Deutscher Sonntag lyrics
Deutscher Sonntag lyrics
Sonntags in der kleinen Stadt
Sonntags in der kleinen Stadt –
Wenn die Spinne Langeweile
Fäden spinnt und ohne Eile
Giftig-grau die Wand hochkriecht –
Wenn's blank und frisch gebadet riecht,
Dann bringt mich keiner auf die Straße,
Und aus Angst und Ärger lasse
Ich mein rotes Barthaar steh'n
Und lass' den Tag vorübergehn,
Hock am Fenster, lese meine
Zeitung, decke Bein mit Beine,
Seh, hör und rieche nebenbei
Das ganze Sonntagseinerlei!
Pampapam, pampampapam...
Da treten sie zum Kirchgang an,
Familienleittiere voran –
Hütchen, Schühchen, Täschchen passend,
Ihre Männer unterfassend,
Die sie heimlich vorwärts schieben,
Weil die gern zu Hause blieben!
Und dann kommen sie zurück
Mit dem gleichen bösen Blick,
Hütchen, Schühchen, Täschchen passend,
Ihre Männer unterfassend,
Die sie heimlich heimwärts ziehn,
Dass sie nicht in Kneipen fliehn!
Pampapam, pampampapam...
Wenn die Bratendüfte wehen,
Jungfrau'n den Kaplan umstehen,
Der so nette Witzchen macht,
Und wenn es dann so harmlos lacht,
Wenn auf allen Fensterbänken
Pudding dampft, und aus den Schänken
Schallt das Lied vom Wiesengrund,
Und dass am Bach ein Birklein stund –
Alle Glocken läuten mit,
Die ganze Stadt kriegt Appetit –
Das ist dann genau die Zeit,
Da frier ich vor Gemütlichkeit!
Pampapam, pampampapam...
Da hockt die ganze Stadt und mampft,
Dass Bratenschweiß aus Fenstern dampft!
Durch die fette Stille dringen
Gaumenschnalzen, Schüsselklingen,
Messer, die auf Knochen stoßen
Und das Blubbern dicker Soßen –
Hat nicht irgendwas geschrien?
Jetzt nicht aus dem Fenster seh'n,
Wo auf Hausvorgärtenmauern
Ausgefranste Krähen lauern –
Was nur da geschrien hat?
Ich werd' so entsetzlich satt!
Pampapam, pampampapam...
Wenn Zigarrenwolken schweben,
Aufgeblähte Nüstern beben,
Aus Musiktruh'n Donauwellen
Plätschern, über Mägen quellen,
Dann hat die Luft sich angestaut –
Die ganze Stadt hockt und verdaut!
Woher kam der laute Knall?
Brach ein Flugzeug durch den Schall?
Oder ob mit Mal die Stadt
Ihr Bäuerchen gelassen hat?
Die Luft riecht süß und säuerlich –
Ich glaube, ich erbreche mich!
Pampapam, pampampapam...
Dann geht's zu den Schlachtfeldstätten,
Um im Geiste mitzutreten,
Mitzuschießen, mitzustechen,
Sich für wochentags zu rächen
Um im Chor Worte zu röhren,
Die beim Gottesdienst nur stören.
Schinkenspeckgesichter lachen
Treuherzig, weil Knochen krachen
Werden. Ich verstopf' die Ohren
Meiner Kinder. Traumverloren
Hocken auf den Stadtparkbänken
Greise, die an Sedan denken.
Pampapam, pampampapam...
Und dann die Spaziergangstunde
Durch die Stadt, zweimal die Runde:
Hüte ziehen, spärlich nicken,
Wenn ein Chef kommt, tiefer bücken!
Achtung, dass die Sahneballen
Dann nicht in den Rinnstein rollen!
Kinder baumeln, ziehen Hände,
Man hat ihnen bunte, fremde
Fliegenbeine ausgefetzt -
Sorgsam an den Hals gesetzt,
Dass sie die Kinder beißen soll'n,
Wenn sie zum Bahndamm fliehen woll'n!
Pampapam, pampampapam...
Wenn zur Ruh die Glocken läuten,
Kneipen nur ihr Licht vergeuden,
Dann wird's in Couchecken beschaulich.
Das ist dann die Zeit, da trau ich
Mich hinaus, um nachzusehen,
Ob die Sterne richtig stehen.
Abendstille überall, bloß
Manchmal Lachen wie ein Windstoß
Über ein Mattscheibenspäßchen.
Jeder schlürft noch rasch ein Gläschen
Und stöhnt über seinen Bauch
Und unsern kranken Nachbarn auch.
Pampapam, pampampapam...
- Artist:Franz Josef Degenhardt
- Album:Spiel nicht mit den Schmuddelkindern (1965)