Kleines Testament lyrics

Songs   2024-08-20 18:18:11

Kleines Testament lyrics

Und eh' mich nun der letzte Rest

Meiner Geisteskraft verlässt

Die, wie man in der Presse liest

Im Grunde längst verkümmert ist

Hab' ich noch schnell vor Toresschluss

Von Wohlstand, Luxus und Genuss

Von Ausschweifung ganz ausgelaugt

Am Euter Franz Villons gesaugt

Aus dem die Milch der Wahrheit fließt –

Doch nur, wenn der ein Dichter ist

Von dem er angemolken wird –

Bei mir hat er sich nicht geziert

So hab' ich während einer Nacht

Dies kleine Testament gemacht:

Sollt' ich mein Leben bald verlier'n

Vermache ich mein krankes Hirn

Professor Doktor Pillermann

Der untersucht es, schlägt es dann

Mit einer Nudelrolle platt

Und kocht es aus bei tausend Grad

Und legt es dann in Spiritus

Wo es ganz fest unter Verschluss

Weit von der Wirklichkeit entfernt

Noch akademisch denken lernt.

In Deutschland, der Kulturnation

Schätzt man den Dichter immer schon –

Betrachtet man es mal genau –

Nicht höher ein als eine Sau

Die im Dreck nach Futter gräbt

Verachtet wird, solang sie lebt

Ist sie dann eines Tages tot

Befreit man sie von Schmutz und Kot

Deckt sich mit ihren Innerei'n

Für lange, harte Winter ein –

So könnt' es mir wohl auch ergeh'n

Drum will ich, das wird man versteh'n

Wie selbst das allerdümmste Schwein

Zu Lebzeiten gemästet sein

Dem Schlachter, der mir ganz zuletzt

Das Messer an die Kehle setzt

Dem rat' ich und auch seiner Frau

Falls sie noch nach der Tagesschau

Schnell einen Schlachter zeugen woll'n

Dass sie an Sülze denken soll'n

Und dass sie, bei gelöschtem Licht

Ja nicht mehr tun als ihre Pflicht

Sonst kommt als Schande für das Haus

Noch ein Dichter dabei raus

Doch hätt' ich meine Lieder gern

Statt einem Schallplattenkonzern

Unserm deutschen Volk vermacht

Doch nimmt es, hab' ich den Verdacht

Mein Geschenk erst gar nicht an –

Wobei ich mich auch irren kann

Es hält mich, bilde ich mir ein

Längst nicht mehr jeder für ein Schwein –

Es wurden auch schon Stimmen wach

Die weisen mir eindeutig nach

Dass ich ein blöder Esel sei

Und mein Gesang I-A-Geschrei

Doch auch als Esel will ich nun

Den Massen was zugute tun

Statt meiner Lieder biet' ich dann

Meinen Kieferknochen an

Denn Samson, denkt einmal daran

Schlug er nicht an die tausend Mann

Mit einem Eselskiefer tot?

Deswegen dieses Angebot:

Wenn sich das Volk einmal empört

Sich gegen alle Herrschaft wehrt

Es meinen Kiefer bei sich trägt

Und auf bourgeoise Schädel schlägt

Ich habe mich mit Vorbedacht

Im Fernseh'n immer rar gemacht

Doch weil ich auch kein Unmensch bin

Bestimme ich jetzt, immerhin

Sollte ich gestorben sein

Meinen Kadaver auszuleih'n

Für eine Fernseh-Monsterschau

Doch achte man darauf genau

Dass man die Leiche gut geschminkt

In vollem Wichs, bevor sie stinkt

Festbindet an ein Mikrofon –

So wie El Cid, ihr wisst ja schon

Tot auf sein Pferd gebunden war

Dazu soll man noch eine Schar

Go-Go-Go-Girls engagier'n

Die meine Verse überschmier'n

Mit süßem „Dub-du-ah-uh-ah“

Damit das Volk am Bildschirm ja

Als Sahnetörtchen runterfrißt

Was Vollkornbrot gewesen ist

Solange ich der Bäcker war –

Das stell' ich hier noch einmal klar

Weil ich noch lebe, hinterher

Juckt mich das nicht mehr so sehr

Und nun zu jenem kleinen Mann,

Den ich nur schlecht beschreiben kann

Weil er hier nicht genannt sein will

Denn lieber lauert er ganz still

Im Dunkeln, bildet sich viel ein

Und hängt sich überall mit rein

Dabei wiegt dieser Himmelhund

Wenns hoch kommt, nur ein Viertelpfund

Ich ahne, so gut kenn' ich ihn

Dass er, wenn ich gestorben bin

Von meinem Tode unberührt

Sein Eigenleben weiterführt

Wenn diese Ahnung sich erfüllt

Begrabt ihn auf der Insel Sylt

In Kampen am Nacktbadestrand

Nicht allzutief im Dünensand

Ich denke, dass ihr mich versteht

Wenn ihr die hübschen Mädchen seht

Im Sande sitzend, braun und nackt

Und eine zu der andern sagt:

„Zwar weiß ich, Hannes, dieser Schlot

Ist schon seit einer Woche tot

Doch könnt' ich wetten, er ist hier –

Ich spüre was von ihm in mir...“

Fürs erste mach' ich jetzt mal Schluss

Obwohl ich eingestehen muss

Dass manches noch zu sagen wär –

Ein and'res Mal erzähl' ich mehr

Denn ich möchte, dass ihr wisst

Wenn dies auch mein Vermächtnis ist

Dass ich noch lang zu leben hab'

Bin ich dann tot, soll'n um mein Grab

Auch jene Journalisten steh'n

Die Schmeißfliegen so ähnlich seh'n –

Wer fräße sich denn sonst da satt

Wo unsereins geschissen hat?

Für sie geb' ich noch aus dem Grab

Ganz kurz eine Erklärung ab

Statt einer Rede lass' ich bloß

Einen letzten Rülpser los

Tief grollend aus dem Untergrund

Die Erde öffnet ihren Schlund

Schluckt unzerkaut das Lumpenpack

Doch weil sie diesen Fraß nicht mag

Kotzt sie den widerlichen Schmaus

Gleich angeekelt wieder aus –

Ich hab' die Bande jedenfalls

Ein- für allemal vom Hals ...

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Hannes Wader more
  • country:Germany
  • Languages:German, German (Low German), Spanish, German (Old High German)+6 more, French, English, Dutch, Luxembourgish, Other, Italian
  • Genre:Folk, Singer-songwriter
  • Official site:http://www.scala-kuenstler.de/hannes-wader.html
  • Wiki:http://en.wikipedia.org/wiki/Hannes_Wader
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