Howl [German translation]

Songs   2024-12-22 03:31:15

Howl [German translation]

Für Carl Solomon

I

Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom Wahn, hungernd hysterisch nackt,

sich im Morgengrauen durch die Negerstraßen schlepp­end auf der Suche nach einem wütenden Schuss,

engelsköpfige Hipster1 brennend nach dem alten himmlischen Kontakt zum Sternendynamo in der Maschinerie der Nacht,

die armselig und abgerissen und hohläugig und high hockten und rauchten im übernatürlichen Dunkel von Kaltwasserbuden2, über die Dächer der Stadt schwebten in Jazz vertieft,

die unter der Hochbahn dem Himmel ihre Hirne entblößten und mohammedanische Engel auf beleuchteten Mietshausdächern taumeln sahen,

die Universitäten durchliefen mit strahlend-coolen Arkansas3 halluzinierenden Augen und mystische Blake-Tragödien4 bei den Scholaren des Krieges5,

die von den Akademien relegiert wurden als irre & weil sie obszöne Oden auf die Fenster des Schä­dels kritzelten6,

die in unrasierten Buden im Unterzeug kauerten, ihr Geld im Papierkorb verbrannten, den Terror von nebenan im Ohr,

die auf der Rückreise über Laredo7 in ihren Schamhaarbärten8 geschnappt9 wurden mit einem Gürtel aus Marihuana für New York,

die in Künstlerabsteigen10 Feuer schluckten oder in der Paradise Alley Terpen­tin tranken, Tod, oder ihre Körper durchs Fegefeuer trieben, Nacht für Nacht,

mit Träumen, mit Drogen, mit Wahnvorstellungen, Alkohol und Schwanz und endlos Spaß,

unvergleichlich blinde Straßen mit schaudernden Wolken, und Blitze im Gehirn, die übersprangen auf Telegrafenmasten von Kanada & Paterson und die ganze reglose Welt der Zeit dazwischen erhellten,

Peyote-Stabilität von Fluren, hinterhof-baumgrüne Friedhofsdämmerungen, Wein Trunkenheit über den Dächern, bekiffte Spritztouren durch Einkaufs­viertel Neonlichter blinkende Ampeln, Sonne und Mond und Baumgezitter im tosenden Winterdämmern Brooklyns, Ascheeimer-Gekeife und gütiges Königslicht des Geistes,

die sich an U-Bahnen ketteten zur Endlosfahrt vom Battery zur heiligen Bronx voll auf Speed bis der Lärm der Räder und Kinder sie nüchtern machte, schau­dernd mit gelähmter Zunge und ramponiertem dumpfem Hirn ohne einen Funken Geist im trüben Licht des Zoos,

die nächtelang im Unterwasserlicht von Bickford’s versanken, hinaustrieben und nachmittags bei schalem Bier im trostlosen Fugazzi’s ab­hingen, wo sie aus der Wasser­stoff-Jukebox das Donnern des Jüngsten Gerichts hörten,

die siebzig Stunden lang ununterbrochen redeten zwischen Park und Bude und Bar und Bellevue und Museum und Brooklyn Bridge,

ein verlorener Haufen platonischer Schwafler, die von Treppen sprangen, von Feuerleitern, von Fenster­bänken, vom Empire State, vom Mond,

dabei Fakten und Erinnerungen und Anekdoten und visuelle Kicks und Schocks aus Hospitälern und Zuchthäusern und Kriegen herunterrasselten ­hinausbrüllten auskotzten flü­sterten,

ganze Intellekte ausgewürgt bis zum letzten Erinnerungs­­­fetzen in sieben Tagen und Nächten mit glänzenden Augen, Fleisch für die Synagoge weggeworfen auf die Straße,

die ins Nirgendwo Zen New Jersey verschwanden und eine Spur von mehrdeutigen Ansichtskarten vom Atlantic City Rathaus hinterließen,

leidend an asiatischen Schweißausbrüchen, Tangerschem Kno­chenknirschen und China-Migräne bei Dope-Entzug in Newarks öd möbliertem Zimmer,

die um Mitternacht im Güterbahnhof umherliefen und liefen, sich fragten wohin? und dann aufbrachen, ohne gebrochene Herzen zurückzulassen,

die Zigaretten anzündeten in Güterwaggons Güterwaggons Güterwaggons, die durch den Schnee ratterten, einsamen Farmen in Großvater Nacht entgegen,

die Plotin studierten Poe Johannes vom Kreuz Telepathie und Bop-Kabbala, weil der Kosmos instinktiv zu ihren Füßen in Kansas vibrierte,

die einsam durch die Straßen von Idaho irrten auf der Suche nach visionären indianischen Engeln, die visionäre india­nische Engel waren,

die dachten, sie seien nur verrückt, wenn Baltimore in überna­türlicher Ekstase erstrahlt,

die in Limousinen sprangen mit dem Chinamann von Oklahoma, aus dem Impuls von winterlichem Mitternachts-Straßenlicht-Kleinstadtregen,

die hungrig und verlassen in Houston herum­lungerten, auf der Suche nach Jazz oder Sex oder Suppe und dem brillanten Spanier folgten, um mit ihm über Amerika und die Ewigkeit zu reden, eine aussichtslose Sache, so daß sie sich nach Afrika einschifften,

die in die Vulkane Mexikos verschwanden und nichts hin­terließen als den Schatten von Latzhosen und die Lava und Asche von Gedichten verstreut in der Feuerstelle Chicago,

die an der Westküste wieder auftauchten und gegen das FBI ermittelten, bärtig und in Shorts mit großen pazifisti­schen Augen sexy mit ihrer gebräunten Haut und unverständliche Flug­blätter verteilten,

die sich Zigarettenlöcher in die Arme brannten, aus Pro­test gegen den betäubenden Tabakmief des Kapitalismus,

die auf dem Union Square superkommunistische Pamphlete verteilten weinten und sich auszogen während die Sirenen von Los Alamos sie niederheulten und die Wall Street runter­heulten und die Staten-Island-Fähre eben­falls heulte,

die in weißen Turnhallen weinend zusammen­brachen, nackt und zitternd vor der Maschinerie anderer Skelette,

die Polizisten in den Nacken bissen und in den Streifenwagen vor Freude kreischten, weil ihr einziges Verbrechen war, ausschweifende Päderasten und Besoffene zu sein,

die in der U-Bahn auf Knien heulten, vom Dach gezerrt wurden und Genitalien und Manu­skripte schwenkten,

die sich von Motorrad-Engeln in den Arsch ficken ließen und schrien vor Lust,

die Matrosen bliesen, jene menschlichen Seraphim, und sich von ihnen blasen ließen, Zärtlichkeiten atlantischer und karibischer Liebe,

die morgens und abends in Rosengärten bumsten, im Gras der Parks und auf Friedhöfen, und ihren Samen frei verteilten an jeden, der wollte,

die endlos hicksten, als sie kichern wollten, doch es wurde ein Schluch­zen hinter einer Trennwand in einem Türkischen Bad, als der blonde & nackte Engel kam, um sie mit dem Schwert zu stechen,

die ihre Lustknaben an die drei alten Vetteln des Schicksals verloren: die einäugige Vettel des heterosexuellen Dol­lars, die einäugige Vettel, die aus dem Unterleib zwinkert, und die einäugige Vettel, die bloß auf ihrem Arsch sitzt und am Webstuhl des Meisters die geistigen Goldfäden durchschnipst,

die ekstatisch und unersättlich kopulierten mit einer Bier­flasche einem Darling einer Schachtel Zigaretten einer Kerze und aus dem Bett fielen und auf dem Boden weitermachten und draußen im Flur, und ohnmächtig an der Wand zusammen­sackten und sich mit einer Vi­sion von ultimativer Möse und Sperma dem letzten Spritzen des Bewusstseins entzogen,

die die Spalten von einer Million Girls zuckerten in der Abendröte zitterten und am Morgen rote Augen hatten, doch bereit waren dem Sonnenaufgang die Spalte zu zuckern indem sie mit dem blanken Hintern wink­ten unter Scheunendächern und nackt im Teich,

die nachts in Myriaden gestohlener Autos durch Colorado hur­ten, N. C., heim­licher Held dieser Gedichte, Hengst und Adonis von Denver – freudiges Gedenken an die unzähligen Girls, flachgelegt auf leeren Grund­stücken & hinter Restaurants, auf wackeligen Sitzrei­hen von Kinos, auf Bergesgipfeln in Höhlen, oder dürre Kellnerinnen, denen er an ver­trautem Straßenrand einsam den Petticoat lüpfte & besonders in den heimlichen Tankstellen-Solipsismen von Klos & in heimatlichen Gassen ebenfalls,

die in schmutzigen Filmen versanken, sich in ­Träu­men wiederfanden, durch ein plötzliches Manhattan er­wachten, sich aus Kellern hoch­rappelten, verkatert von herzlosem Tokaier und dem Horror von Third Avenue Eisen Träumen & zu Arbeitslosenämtern wankten,

die nächtelang mit Schuhen voller Blut über die Schneebank-Docks liefen und darauf warteten daß sich im East River eine Tür auftut zu einem Raum voll Saunadampf und Opium,

die große Selbstmord-Dramen inszenierten auf den Apartmentklippen des Hudson im kriegsmäßig blauen Flutlicht des Mondes & ihre Häupter sollen mit Lorbeer­ bekränzt sein in Vergessenheit,

die den Lammeintopf der Einbildungen aßen oder das Krebsfleisch verdauten im Bodenschlick der Flüsse der Bowery,

die der Romantik der Straße nachweinten mit ihren Einkaufswagen voller Zwiebeln und schlechter Musik,

die in Pappkartons saßen und unter der Brücke Dunkelheit einatmeten und sich erhoben, um in ihren Lofts Cembalos zu bauen,

die im sechsten Stock von Harlem husteten, gekrönt vom Feuerschein des tuberkulösen Himmels, umgeben von Apfelsinenkisten11 voller Theologie,

die nächtelang zappelnd und schwankend ihre hehren Hymnen kritzelten und am gelben Morgen war es doch nur Geschwafel,

die aus fauler Tiere Herz Lunge Füße Schwanz Borschtsch & Tortillas machten und dabei vom reinen Pflanzenreich träumten,

die sich unter Fleischtransporter warfen und nach einem Ei such­ten,

die ihre Armbanduhren vom Dach warfen und für eine Ewig­keit jenseits der Zeit stimmten & während der näch­sten zehn Jahre fiel ihnen jeden Tag ein Wecker auf den Kopf,

die sich dreimal nacheinander erfolglos die Pulsadern aufschlitzten, es aufgaben und gezwungen waren, Antiquitätenläden zu eröffnen, in denen sie sich alt vorkamen und weinten,

die auf der Madison Avenue bei lebendigem Leib in ihren unschuldigen Flanellanzügen verbrannt wurden unter einem Schwall bleierner Verse & dem Panzergerassel eiserner Moderegimenter & dem spitzen Nitroglyzeringekreische tuntiger Werbefritzen & dem Senfgas diabolisch intelligenter Verlagslektoren, oder von den besoffenen Taxis der Absoluten Realität überfahren wurden,

die von der Brooklyn Bridge sprangen, was wirklich passierte, und unerkannt und vergessen in die gespenstische Umnachtung von Chinatown Suppen Hintergassen & Feuerwehrautos liefen ohne auch nur ein Freibier,

die verzweifelt aus ihren Fenstern sangen, aus dem U-Bahn-Fenster fielen, in den verdreckten Passaic sprangen, Neger anfielen, die ganze Straße volljammerten, barfuß auf zerbrochenen Weingläsern tanzten, nostalgische europäische Schallplatten mit deutschem Jazz aus den 1930ern zerschlugen, den Whisky leertranken und alles stöhnend in das blutige Klo erbrachen, Gewimmer in den Ohren und das Dröhnen kolossaler Dampfpfeifen,

die über die Highways der Vergangenheit rasten, zur gegenseitigen Straßenrennen Golgatha Gefängnis Einsamkeits Wacht oder Birmingham Jazz Inkarnation,

die zweiundsiebzig Stunden lang quer durchs Land fuhren, um zu sehen, ob ich eine Vision hatte oder du eine Vision hattest oder er eine Vision hatte, um die Ewigkeit herauszufinden,

die reisten nach Denver, die starben in Denver, die zurrückkehrten nach Denver & vergeblich warteten, die wachten über Denver & grübelten & einsam waren in Denver und schließlich fortgingen, um die Zeit herauszufinden & jetzt ist Denver einsam ohne seine Helden,

die in hoffnungslosen Kathedralen auf die Knie fielen und füreinander um Erlösung und Licht und Brüste beteten, bis ihre Seele ihr Haar für einen Moment erleuchtete,

die im Zucht­haus in ihren Hirnen die Schallmauer durchbrachen, wo sie auf unmögliche Verbrecher warteten mit goldenen Köpfen und dem Charme der Realität im Herzen die wehmütig Blues auf Alcatraz sangen,

die sich nach Mexiko verzogen, um eine Gewohnheit zu pflegen, oder nach Rocky Mount zum sanften Buddha, nach Tanger zu den Boys, zur Southern Pacific und der schwarzen Loko­motive, oder nach Harvard zu Narziß, nach Woodlawn zu Blümchenkränzen oder Tod,

die forderten, für zurechnungsfähig erklärt zu werden und dabei dem Rundfunk Hypnose vorwarfen & am Ende dastanden mit ihrem Wahn & ihren Händen & uneiniger Geschworenen,

die in Dadaismus-Vorlesungen am CCNY Dozenten mit Kartoffelsalat bewarfen und sich dann kahlgeschoren und mit grotesken Selbst­morddrohungen auf den Granitstufen des Irrenhauses präsentierten und sofortige Lobotomie verlangten,

und denen man stattdessen die bleierne Leere von Insulin Metrasol Elektroschock Hydrotherapie Psy­chotherapie Beschäftigungstherapie Pingpong & Am­nesie verpasste,

die in humorlosem Protest bloß eine einsame symbolische Tischtennisplatte umwarfen und mal kurz wie tot waren,

die Jahre später völlig kahl bis auf eine Perücke aus Blut und Tränen und Finger zurückkehrten in das sicht­bare Verderben der Irrsinnigen in den Bezirken der Irrenstädte im Osten,

in die stinkenden Säle von Rockland, Pilgrim State und Greystone, in denen die Echos der Seelen widerhallten, wo sie zappelten auf mitter­nächt­lichen Einsamkeitsbänken in den Grabmal- Reichen der Liebe, der Traum vom Leben ein Albtraum, Körper zu Stein geworden, schwer wie der Mond,

mit Mutter schließlich *******, und das letzte phantastische Buch aus dem Mietskasernen­fenster geschleudert, und die letzte Tür geschlossen um 4 Uhr früh und das letzte Telefon als Antwort an die Wand gedonnert und das letzte möblierte Zimmer ausgeräumt bis aufs letzte Stück des geistigen Inventars, eine gelbe Papierrose, um einen Drahtkleiderbügel im Wandschrank gewickelt, und selbst das nur eingebildet, nichts als ein sehnsüchtiges kleines bißchen Halluzination −

ach, Carl, solange du nicht in Sicherheit bist, bin ich‘s auch nicht, und jetzt steckst du wirklich im totalen tierischen Sumpf der Zeit −

und die deshalb durch die eisigen Straßen rannten, besessen von einer plötzlichen Einsicht in die alchimistische Ver­wendung von Ellipse Auf­zählung variablem Versmaß und vibrierender Fläche,

die träumten und mit wilden Vergleichen fleisch­gewordene Lö­cher in Zeit & Raum sprengten, dem Erzengel der Seele mit 2 Bildern eine Falle stellten, die ele­mentaren Verben miteinander verbanden, das Substantiv und den Gedanken­strich des Bewußtseins setzten, erregt vom Empfinden des Pater Omnipotens Aeterne Deus,

um Syntax und Rhythmus der verarmten mensch­lichen Prosa zu erneuern und sprachlos und intelligent vor euch zu stehn, zitternd vor Scham, zurückgewiesen, doch frei ihre Seele bekennend und sie mit dem Rhythmus der Gedanken in seinem nackten und grenzenlosen Hirn in Einklang zu bringen,

als Irrer, Tramp und Engel, geschlagen in der Zeit, unbekannt, doch hier, um festzuhalten, was es wohl noch zu sagen gilt in der Zeit nach dem Tod,

und die aufstanden, wiedergeboren im Geistergewand des Jazz im goldschimmernden Schatten der Band und die quälende Sehnsucht der nackten amerikanischen Seele nach Liebe in einem eli-eli-lama-lama-sabachthani-Saxophonschrei hinausröhrten, der die Städte bis aufs letzte Radio erzittern ließ,

mit dem absoluten Herz des Gedichts vom Leben, sich selbst aus Leibern gerissen und das Nahrung ist für tausend Jahre.

II

Welche Sphinx aus Zement und Aluminium schlug ihnen die Schädel auf und fraß ihnen Hirn und Phantasie heraus?

Moloch! Einsamkeit! Dreck! Häßlichkeit! Mülleimer und uner­schwingliche Dollars! Kinder schreien unter den Treppen! Jungs schluchzen in Armeen! Alte Männer weinen in den Parks!

Moloch! Moloch! Albtraum des Moloch! Moloch der Lieblose! Verkopfter Moloch! Moloch, der strenge Richter über die Menschen!

Moloch, das unbegreifliche Gefängnis! Moloch, das totenkopf seelenlose Zuchthaus und Kongreß der Kümmernisse! Moloch, dessen Gebäude Richtspruch sind! Moloch, der gewaltige Stein des Krieges! Moloch, die gelähmten Regierungen!

Moloch, dessen Hirn reine Maschinerie ist! Moloch, dessen Blut Geld ist! Moloch, dessen Finger zehn Armeen sind! Moloch, dessen Brust ein kannibalischer Dynamo ist! Moloch, dessen Ohr ein rauchendes Grab!

Moloch, dessen Augen tausend blinde Fenster sind! Moloch, dessen Wolkenkratzer an den langen Straßen stehn wie endlose Jehovas! Moloch, dessen Fabriken träumen und röcheln im Qualm! Moloch, dessen Schlote und Antennen die Städte krönen!

Moloch, dessen Liebe endlos Öl und Stein ist! Moloch, dessen Seele Elektrizität und Banken sind! Moloch, des­sen Armut der Schrecken des Genius ist! Moloch, dessen Schicksal eine Wolke geschlechtslosen Wasserstoffs ist! Moloch, dessen Name der Verstand ist!

Moloch, in dem ich einsam sitze! Moloch, in dem ich mir En­gel erträume! Meschugge in Moloch! Schwanzlutscher in Moloch! Ohne Liebe und ohne Mann in Moloch!

Moloch, der mir früh in die Seele drang! Moloch, in dem ich ein Bewußtsein ohne Körper bin! Moloch, der mich aus meiner natürlichen Ekstase schreckte! Moloch, von dem ich mich abwende! Erwache in Moloch! Licht strömt aus dem Himmel!

Moloch! Moloch! Roboterwohnungen! unsichtbare Vorstädte! Skelette als Staatsschatz! blinde Hauptstädte! dämoni­sche Industrien! gespenstische Nationen! unbesiegbare Irrenhäuser! granitene Schwänze! monströse Bomben!

Sie brachen sich das Kreuz, als sie Moloch in den Himmel ho­ben! Straßenpflaster, Bäume, Radios, tonnenschwer! die Stadt hoben sie in den Himmel, der existiert und uns überall umgibt!

Visionen! Omen! Halluzinationen! Wunder! Ekstasen! alles den amerikanischen Bach runter!

Träume! Anbetungen! Illuminationen! Religionen! die ganze Schiffsladung gefühlvoller Scheiße!

Durchbrüche! über den Fluß! ausgeflippt und gekreuzigt! fort­gespült mit der Flut! Rausch! Epiphanien! Verzweif­lung! Zehn Jahre lang tierische Schreie und Selbstmorde! Genies! Neue Liebschaften! Verrückte Generation! gestrandet am Fels der Zeit!

Wirklich heiliges Gelächter im Fluß! Sie sahen alles! die wilden Augen! die heiligen Schreie! Sie sagten Lebewohl! Sie sprangen vom Dach! in die Einsamkeit! winkend! Blumen im Arm! Runter zum Fluß! raus auf die Straße!

III

Carl Solomon! Ich bin bei dir in Rockland

wo du verrückter bist als ich

Ich bin bei dir in Rockland

wo du dir sehr merkwürdig vorkommen mußt

Ich bin bei dir in Rockland

wo du dem Schatten meiner Mutter gleichst

Ich bin bei dir in Rockland

wo du deine zwölf Sekretärinnen umgebracht hast

Ich bin bei dir in Rockland

wo du über diesen unsichtbaren Humor lachst

Ich bin bei dir in Rockland

wo wir große Schriftsteller an derselben furcht­baren Schreibmaschine sind

Ich bin bei dir in Rockland

wo dein Zustand ernst wurde und im Radio gemeldet wird

Ich bin bei dir in Rockland

wo die Fakultäten des Totenschädels sich abschotten ge­gen die Würmer der Sinne

Ich bin bei dir in Rockland

wo du den Tee aus den Brüsten der alten Jungfern von Utica trinkst

Ich bin bei dir in Rockland

wo du die Leiber deiner Pflegerinnen als Harpyien der Bronx verhöhnst

Ich bin bei dir in Rockland

wo du in der Zwangsjacke schreist, dass du das ent­scheidende Pingpong-Spiel des Abgrunds am verlierst

Ich bin bei dir in Rockland

wo du auf dem katatonischen Piano hämmerst

die Seele ist unschuldig und unsterblich man darf sie nicht gottlos in einem gepanzerten Irrenhaus sterben lassen

Ich bin bei dir in Rockland

wo auch fünfzig weitere Schocks deine Seele nicht mehr in ihren Körper zurückbringen werden von ihrer Pilgerfahrt zu einem Kreuz in der Leere

Ich bin bei dir in Rockland

wo du deinen Ärzten Wahnsinn vorwirfst und die hebräisch-sozialistische Revolution gegen das national-faschistische Golgatha planst

Ich bin bei dir in Rockland

wo du den Himmel von Long Island spalten wirst und deinen lebenden menschlichen Jesus aus dem übermenschlichen Grab auferstehen läßt

Ich bin bei dir in Rockland

wo fünfundzwanzigtausend verrückte Genossen gemeinsam die letzten Strophen der Internationale sin­gen

Ich bin bei dir in Rockland

wo wir die Vereinigten Staaten unter unserer Bettdecke an uns drücken und küssen – die Vereinigten Staaten, die die ganze Nacht husten und uns nicht schlafen lassen

Ich bin bei dir in Rockland

wo wir elektrisiert aus dem Koma gerissen werden durch die über das Dach donnernden Flugzeuge unsrer eigenen Seelen sie sind gekommen um Engelsbomben zu werfen das Hospital erhellt sich selbst eingebildete Wände stürzen ein, o dürre Legionen rennt nach draußen o Sternbanner-Schock der Gnade der ewige Krieg ist da o Sieg, vergiss deine Unterwäsche wir sind frei

Ich bin bei dir in Rockland

in meinen Träumen läufst du triefend von einer See­reise auf dem Highway durch Amerika, in Tränen auf­gelöst, zur Tür meiner Hütte in der westlichen Nacht

San Francisco 1955/56

1. Hipster – „Dieser gesellschaftliche Typus, im ­gedruckten Kontext zum erstenmal nach dem Zweiten Weltkrieg definiert, umfaßte eine Gemengelage aus Existenzialismus, Drogen und Jazz. Er bot Amerikas Beat Generation das am schärfsten gezeichnete Modell für den nonkonformistischen Bohemien.“ Steven Watson, Die Beat Generation, Seite 125;

Die Bedeutung dieses Begriffs hat sich im 21. Jahrhundert gewandelt. 2. * cold water flats – im Engl. ein stehender Begriff für die Wohnungen in den berüchtigten „tenements“ – Mietskasernen, in denen es kein fließend Warmwasser und nur Gemeinschaftsküchen und -toiletten gab. „Kaltwasserwohnungen“ bzw. „-buden“ ist im Deutschen kein stehender Begriff, aber bildhaft genug, um sich als ­direkte Übersetzung zu eignen.3. * Arkansas – ein Beispiel für G.’s Vorliebe, konkrete Begriffe, wie das hier ursprünglich vorgesehene „Anarchie“ gegen einen abstrakten Begriff auszutauschen. Arkansas, sprich:ar-kn-saw4. Bezugname auf G.’s Visionen des engl. Dichters William Blake (1757–1827).5. Bezugnahme auf universitäre Wissenschaftler, die halfen, Kriegswaffen zu entwickeln.6. published - kritzelten: nach einigem Hin und Her beschloss ich, „kritzelten“ stehenzulassen. Das engl. „published“, „bekanntgeben, verkünden, verbreiten etc.“. Passt aber nicht zu den Fenstern.7. Laredo, texanische Stadt an der Grenze zu Mexiko8. pubic beards – „Schamhaarbärte“. Wahrscheinlich mussten sich die erwischten Schmuggler vor den Zollbeamten komplett ausziehen.9. busted - Slang: „geschnappt, erwischt, festgesetzt, verhaftet" etc.10. Fortsetzung der Kommentare folgt.11. Damals übliche hölzerne Apfelsinenkisten dienten vielen Leuten als Bücherregale

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