Georg Kreisler - Anders als die andern
Georg Kreisler - Anders als die andern
Was hast Du eigentlich Dir vorgestellt?
Hast Du Dein Leben bis zum Schluss gedacht?
Wie hast Du Dir den letzten Kuss gedacht?
Und was ist das Ergebnis?
Und wer bezahlt's Begräbnis?
Der Mensch ist wie der Ochs vors Tor gestellt
Man braucht nur täglich in den Spiegel seh'n
Und kann am Tor den schweren Riegel seh'n
Die Fragen fragt der Lehrer, die Antworten sind schwerer
Erst wir ham's Leben völlig umgestellt
(Das war sehr leicht, wir haben uns nämlich dumm gestellt)
Die Fragen ignorier'n wir, die Antworten soufflier'n wir
Und wer was andres will, den exportier'n wir!
Wenn man immer was andres will als die andern
Als Chamäleon lebt, bei den Salamandern
Ist man nirgends zu Haus, und der Atem geht aus
Weil ein hinderlicher Held dieser dummen Welt
Erst nach seinem Tode gefällt
Wenn man immer was andres spricht als die Blöden
Ja, wie soll'n denn die Blöden dann mit Dir reden?
Und die Majorität ist auf jeden Fall blöd
Weil ein Blöder nichts riskiert, weil er nichts verliert
Und er wird von allen kopiert
Unser Dasein ist einfach ein Stammtisch:
Wer Ideen hat, der kommt nicht dran
Doch wer einmal dort war, der darf zweimal im Jahr
Obendrein patriotisch sein!
Nur wer immer was andres will als Patrioten
Dem wird jeglicher Ernst des Lebens verboten
Der wird seitwärts gedreht, kriegt kein Weihnachtspaket
Nur ein Ehrendoktorat einer kleinen Universität
Darf ich etwas fragen? - Nein, wer fragt, benützt sein Hirn
Darf ich etwas sagen? - Höchstens "Himmel, Arsch und Zwirn"!
Darf ich etwas denken? - Ja, Gedanken sind ja frei
Also denk' nur - aber halt' den Mund dabei
Darf ich was erneuern? - Nur die Dinge, die's schon gab
Darf ich was erhoffen? - Von der Wiege bis zum Grab
Darf ich mir was wünschen? - Es ist besser, Du kaufst ein:
Wer sich wünscht, was nicht zu kaufen ist, muss niederträchtig sein
Das ist nicht mein Gesetz, doch ich denke, ich hätt's
Ganz genauso erlassen wie die
Es ist nicht mein Gesetz, aber glaub' mir, ich schätz'
Unsre herrliche Demokratie
Nur wer immer was andres will als die andern
Muss natürlich sein Bündel schnüren und wandern
Doch wir sind nicht so roh, wir helfen ihm packen und so
Und wir tragen sein Gepäck, winken bis zum Eck
Lassen seine Frau mit ihm weg
Aber was sind die positiven Programme?
Dass wir allesamt Brüder sind, möglichst stramme
Immer mehr unter uns, immer mehr Hinz und Kunz
Das ist leichter für den Staat, für den Magistrat, und den Polizeiapparat
Aber irgendwer muss doch regieren?
Ja, das tut er - irgendwer
Der bleibt hinter der Tür, doch dafür dürfen wir
Ganz allein patriotisch sein
Und wer immer was andres will als die Sippe
Den behandeln wir erst einmal wie die Grippe
Und dann wird er sekkiert, bis auch er akzeptiert
Was der Staat zirkuliert und uns allen billig offeriert
Nimm zum Beispiel das Sexuelle
Ja gewiss, das nehm' ich gern
Bis zur letzten Bagatelle
Sind die Frau'n hier hochmodern
Die Busen sind die größten, die Beine die längsten
So gleichen unsere Frauen arabischen Hengsten
Die zartesten Hände, die winzigsten Näschen
Die trinkfestesten Nierchen, die sanftesten Ekstäschen
Die Hirne der Spatzen, die Leiber der Schlangen
Die Stimmen in ewiger Moll
Und liegt erst ein Mann in den Klauen, den langen
Vergisst er genau, was er soll
Ja, unsere Frau'n sind anschmiegsam, elastisch und bequem
Daher ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis für unser System
Jawohl, ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis, -litätsbeweis für unser System
Und nimm mal unsere Kühlschränke!
Ich war noch bei den Frau'n
Ja, aber wenn ich an die Kühlschränke denke
Oh, wie ich dann staun'
Die schnellsten Defroster, das kühlste Gefrierfach
Die leisesten Motoren, das riesigste Bierfach
Die eckigsten Würfel, die niedrigsten Raten
Die nacktesten Mädchen auf allen Plakaten
Die buntesten Knöpfe und alle zum Drücken
Er schaltet sich selbst ein und aus
Dabei spielt er 'Fair Lady' und tötet die Mücken
Und weckt das ganze Haus
Er ist voll garantiert und geölt und geschmiert
Und wenn nicht, ist es kein Problem
Sondern nur ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis für unser System
Jawohl, ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis, -litätsbeweis für unser System
Nun blick umher in diesem Land und sei einmal ein Mann!
Noch keiner hat ein Land genannt, das so was bieten kann:
Die Luxusyacht im Garten
Chirurgen, die immer nur grinsen
Die Autohupe in Quarten
Harmonspritzen mit Zinsen
Das illustrierte Börsenblatt
Die Sliwowitz-Diät
Die Minimaxi-Antitutti-Universität
Maschinen, die im Jenseits aufersteh'n
Und dabei sind sie noch die größten
Chemiker, die im Swimmingpool zergeh'n
Und wie sich der'n Witwen trösten
Superbombe und Supermarkt
Superfriedhof für Superinfarkt
Pissoirs mit Glockenspiel
Und Rosenkränze mit Sex-Appeal
Blumen, die man überall verbieten kann
Mut, den man stundenweise mieten kann
Todeskämpfe mit Schlussexamen
Weihnachtsfrauen und Hampeldamen
Ja, ich will von jetzt ab demokratisch sein
Egoistisch und dadurch sympathisch sein
Hörst Du jetzt endlich auf mich? - Ja!
Willst Du das meiste für Dich? - Ja!
Lässt Du die andern für zwanzig Pfennig im Stich? - Ja, ja!
Ich will niemals mehr anders sein als die Leute
Ich verlang' jetzt den größten Teil von der Beute
Gieß' mein eigenes Beet, das aus Kaviar besteht
Leg' mir Schmuck auf meinen Bauch
Pelze willst Du auch? - Aber immer mehr, als ich brauch'!
Wir woll'n leben, und leben heißt: Alles fressen
Wir woll'n leben, und leben heißt: Nichts vergessen
Bis ich alles besitz', aber mehr als Frau Schmitz
Ich will Leben wie ein Protz, Leben wie ein Klotz
Leben meinem Leben zum Trotz
Aber irgendwann muss ich doch sterben
Nein, da gibt's doch Medizin
Und wer unsere nimmt, den kuriert sie bestimmt
Und wenn nein: Patriotisch sein!
Denn wir ham ja noch Fernseh'n, Sex und Raketen
Haben Yachten, Reklame und Krieg und Moneten
Politik und Komfort, und ein Schloss vorm Tresor
Und die Negerkrawalle, ja, und das woll'n schließlich alle
Und wenn alle was wollen, warum soll man schmollen?
Wem die Welt nicht gefällt, der gehört nicht auf die Welt!
- Artist:Georg Kreisler